Ausgabe 01/2018 ·

Der Koalitionsvertrag steht: Junge Ärzte? Fehlanzeige

Eine Schreibmaschine schreibt das Wort Koalitionsvertrag
"Neue Dynamik" - Was verspricht der Koalitionsvertrag? Andreas Gruhl/fotolia

Vieles wurde bisher über den Koalitionsvertrag geschrieben: Die Einschätzungen reichten von „richtigen Akzenten“ bis hin zum „Totenschein des Gesundheitswesens“. Doch was hält das 177-seitige Dokument für junge Ärztinnen und Ärzte bereit? Eine „neue Dynamik“ verspricht der Vertrag ja gleich auf der Titelseite.

Nach einem 25-stündigen Verhandlungsmarathon war der Entwurf des Koalitionsvertrages zwischen der Union und den Sozialdemokraten fertig. Auch die Mitglieder der SPD haben grünes Licht für den Koalitionsvertrag gegeben. Da der Koalitionsvertrag die Marschrichtung der Politik für die kommenden vier Jahre abbildet, lohnt sich ein genauerer Blick in die Vereinbarungen zum Thema Gesundheit. Denn: Der scheidende Gesundheitsminister Hermann Gröhe hat mit Beharrlichkeit nahezu alle Vorgaben, die der letzte Koalitionsvertrag enthielt, in Gesetzen festgeschrieben.

Was steht drin?

Der Regierungskoalition ist klar, dass eine Sicherstellung der Versorgung nur gelingen kann, wenn mehr Ärztinnen und Ärzte ausgebildet werden. Das Bekenntnis zum Masterplan Medizinstudium 2020, mehr Studienplätze im Fach Medizin zu schaffen, ist nun eine gemeinsame Herausforderung für Bund und Länder und eine wichtige Investition in die Zukunft.

So hat auch eine langjährige Forderung der Ärzteschaft Eingang in den Koalitionsvertrag gefunden: Künftig sollen Ärztinnen und Ärzte, die die Versorgung in wirtschaftlich schwachen und unterversorgten Gebieten sicherstellen, einen „regionalen Zuschlag“ bekommen. Fraglich bleibt, ob davon Ärztinnen und Ärzte, die in sogenannten Problemkiezen arbeiten, unterstützt werden.

Der Anteil aufklärender Gespräche und Beratung in den Arztpraxen steigt. Darauf reagiert die künftige Regierungskoalition mit dem Ziel, die sprechende Medizin besser vergüten zu wollen. Die Förderung der sektorenübergreifenden Versorgung soll ebenfalls gezielt angegangen werden. Für schwerwiegende, komplexe oder seltene Erkrankungen stellen sich Union und SPD die Einrichtung von Zentren vor, in denen „interdisziplinäre Behandlungsteams mit hoher medizinischer Kompetenz“ mit ambulanten Schwerpunktpraxen zusammenarbeiten.

Ein weiteres wichtiges Zukunftsthema ist die Neuregelung der Notfallversorgung. Die Notfallversorgung soll in Zukunft in gemeinsamer Finanzierungsverantwortung von Landeskrankenhausgesellschaften und Kassenärztlichen Vereinigungen sichergestellt werden. Dazu, so heißt es im Koalitionsvertrag, „sind Notfallleitstellen und integrierte Notfallzentren aufzubauen.“ Zur Aufwertung der Pflege plant die künftige Bundesregierung eine Schaffung von 8.000 neuen Fachkraftstellen für medizinische Behandlungspflege sowie die Einführung von Personaluntergrenzen für pflegeintensive Bereiche.

Wie es scheint, werden auch den Themen Digitalisierung und neue Technologien nicht zuletzt durch die Personalie Dorothee Bär, die als Staatsministerin für Digitalisierung eingesetzt wird, eine besondere Bedeutung zugesprochen.

Staatliche Eingriffe in die Selbstverwaltung

Die meisten ärztlichen Verbände bringen nur wenig Begeisterung für die Pläne der neuen Bundesregierung auf. „Mit einer Vielzahl von Detailregelungen und der Schaffung neuer Institutionen und Gremien sichert sich die Politik den Zugriff auf das Gesundheitswesen und baut ihren Einfluss zulasten der bestehenden Selbstverwaltung aus“, erklärte Dr. Dirk Heinrich, Präsident des Deutschen Berufsverbandes der HNO-Ärzte.

So verabreden die Unterhändler von Union und SPD eine Anhebung des Mindestsprechstundenangebotes der Vertragsärzte: „Eine pauschale Erhöhung um 25 Prozent der Sprechstundenzeit führt gleichzeitig zu einer Erhöhung der begleitenden Wochenarbeitszeit der Ärzte für Verwaltung, Organisation und nicht-ärztliche Tätigkeiten um rund 10 Stunden pro Woche. Ärzte arbeiten damit dann rund 62 Stunden pro Woche, ohne dass die Koalitionsverhandler ein Wort über eine Vergütung dieser Zeit verlieren“, so Heinrich weiter.

Diese Vergütungsfragen soll eine wissenschaftliche Kommission bis Ende 2019 klären. Die Bundesregierung möchte „ein modernes Vergütungssystem schaffen, das den Versorgungsbedarf der Bevölkerung und den Stand des medizinischen Fortschritts abbildet“. Eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe soll sich mit der Frage auseinandersetzen, wie die sektorübergreifende Versorgung mit Blick auf Bedarfsplanung, Zulassung, Honorierung, Kodierung, Dokumentation, Kooperation der Gesundheitsberufe und Qualitätssicherung weiterentwickelt werden kann. Die Regierungskoalition sichert sich hier in weiten Teilen Einfluss auf Themen, die eigentlich Hoheitsgebiet der ärztlichen Selbstverwaltung sind.

Ein weiterer Knackpunkt ist die Einführung der Landarztquote. Sie taucht nun sogar wortwörtlich im Koalitionsvertrag auf. Dabei wurden die Risiken der umstrittenen Landarztquote bereits von vielen ärztlichen Verbänden genannt: Medizinstudierende können sich zu Beginn ihrer Laufbahn nicht auf eine spätere Tätigkeit als Landarzt festlegen. Ob sich der Landarztmangel mit Zwang lösen lässt, bleibt fraglich.

Sofern alle geplanten Instrumente umgesetzt würden, sei der Koalitionsvertrag in den Augen vieler der Totenschein für die Selbstverwaltung und die ärztliche Freiberuflichkeit.

What’s next?

Dynamik versprechen das klare Bekenntnis zum Masterplan Medizinstudium 2020, die Einsetzung einer Staatsministerin für Digitales und die Bemühungen zur Überwindung der Sektorengrenzen für fließende Übergänge in der Versorgung. Dennoch können viele Passagen des Koalitionsvertrages weitreichende Folgen für junge Ärztinnen und Ärzte haben. Jetzt ist es wichtig, dass sich die Ärzteschaft an der Umsetzung der politischen Vorgaben beteiligt und sie aktiv mitgestaltet. Auf jeden Fall kann es nicht schaden, dass mit dem neuen Gesundheitsminister Jens Spahn ein Generationenwechsel eingesetzt hat. So ändert sich vielleicht auch der Blick auf die Belange junger Ärztinnen und Ärzte.

Was hättet ihr noch in den Koalitionsvertrag reingeschrieben? Was haben die Politiker übersehen? Welche Themen sind euch wichtig? Sendet sie uns einfach an presse@  avoid-unrequested-mailshno-aerzte.de. Auf Wunsch werden eure E-Mails vertraulich behandelt.

Autorin: Kathrin Selck

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Der Deutsche Berufsverband der Hals-Nasen-Ohrenärzte e.V.

Der Deutsche Berufsverband der Hals-Nasen-Ohrenärzte e.V. vertritt die ideellen und wirtschaftlichen Interessen der HNO-Ärztinnen und -Ärzte in Praxis und Klinik. Zu seinen Tätigkeitsschwerpunkten zählen die fachliche Beratung von ärztlichen Organisationen, wie Ärztekammern und Kassenärztlichen Vereinigungen sowie von Politik und anderen öffentlichen Einrichtungen. Der Verband unterstützt seine Mitglieder bei allen beruflichen Belangen und fördert mit der Organisation eigener Fortbildungsveranstaltungen den Wissenserwerb seiner Mitglieder.

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