Ausgabe 5/2021 ·

Fallstricke bei der digitalen Dokumentation umgehen

Junge Frau sitzt vor dem Computer und arbeitet mit der Praxissoftware
Nicht jede Praxissoftware macht nachträgliche Änderungen kenntlich. Gorodenkoff Productions OU - stock.adobe.com

Ärztinnen und Ärzte sollten bei der elektronischen Behandlungsdokumentation unbedingt darauf achten, eine Software zu verwenden, die nachträgliche Änderungen kenntlich macht. Einem Urteil des Bundesgerichtshofs zufolge haben E-Akten, die solche Änderungen nicht anzeigen, im Streitfall nur einen eingeschränkten Beweiswert. Einer solchen Dokumentation fehle die erforderliche Überzeugungskraft und Zuverlässigkeit, so die Richter.

Um in einem möglichen Arzthaftungsprozess auf der sicheren Seite zu sein, sollten Praxen vor dem Hintergrund dieser aktuellen Entscheidung sicherstellen, dass die eingesetzte Software nachträgliche Änderungen immer kenntlich macht. Nur dann kann die Dokumentation als Beweismittel positive Indizwirkung entfalten.

Auf die naheliegende Frage, welche Software den rechtlichen Anforderungen genügt und technisch nicht zu beanstanden ist, gibt der BGH keine Antwort. Es bleibt somit offen, welche Software oder welches Softwarezertifikat alle Anforderungen tatsächlich erfüllt.

KBV-Spezifikation ohne Kenntlichmachung von Änderungen

Auf Nachfrage des HNO-Berufsverbandes erklärte die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), dass die Kenntlichmachung von Änderungen in der elektronischen Patientendokumentation nicht Teil ihrer Spezifikation an die Softwarehersteller sei. Die Zertifizierung der KBV beschränke sich auf Abrechnungsdaten, Kodierhilfen, Vorgaben für die eAU und weitere Einzelheiten. Die gesetzliche Vorgabe zur Kenntlichmachung von nachträglichen Änderngen bei der Dokumentation gehöre jedoch nicht dazu.

Somit bleibt dem einzelnen Arzt nur, seinen Softwarehersteller zu fragen, ob die Funktion in seinem Praxisverwaltungssystem (PVS) angeboten wird. Ist dies nicht so, kann sich auf § 630f BGB bezogen werden. Wenn ein PVS die Funktion trotzdem nicht anbietet, bleibt als letzte Konsequenz nur der Wechsel zu einem anderen Hersteller.

BÄK setzt auf Eigenverantwortung

Die Bundesärztekammer (BÄK) schlägt in ihren „Hinweisen und Empfehlungen zur ärztlichen Schweigepflicht, Datenschutz und Datenverarbeitung in der Arztpraxis“ vom 09.03.2018 vor, man solle sich beim Erwerb einer Software vom Hersteller schriftlich bestätigen lassen, dass die Software die Anforderungen des § 630f BGB erfülle. Ein solches Vorgehen ist gewiss nicht verkehrt, beantwortet jedoch nicht die Fragen der technischen Ausgestaltung.

Es bleibt abzuwarten, ob der Gesetzgeber oder die Rechtsprechung die Vorgaben konkretisieren werden, um die Rechtssicherheit für die Softwareanwender zu erhöhen. Bis dahin ist allen (Vertrags-)Ärzten zu empfehlen, die eingesetzte Software auf die Funktion der Kenntlichmachung nachträglicher Änderungen in der Patientenakte selbst zu überprüfen und sich dies gegebenenfalls auch vom Softwarehersteller schriftlich bestätigen zu lassen.

Auch wenn die Dokumentation der ärztlichen Behandlung oft als zeitraubend und lästig empfunden wird, zeigt sich an diesem Beispiel, wie wichtig sie für einen etwaigen Arzthaftungsprozess ist und dass sie keinesfalls vernachlässigt werden sollte.

Link zum BGH-Urteil vom 27.04.2021 – VI ZR 84/19

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Der Deutsche Berufsverband der Hals-Nasen-Ohrenärzte e.V. vertritt die ideellen und wirtschaftlichen Interessen der HNO-Ärztinnen und -Ärzte in Praxis und Klinik. Zu seinen Tätigkeitsschwerpunkten zählen die fachliche Beratung von ärztlichen Organisationen, wie Ärztekammern und Kassenärztlichen Vereinigungen sowie von Politik und anderen öffentlichen Einrichtungen. Der Verband unterstützt seine Mitglieder bei allen beruflichen Belangen und fördert mit der Organisation eigener Fortbildungsveranstaltungen den Wissenserwerb seiner Mitglieder.

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