Ausgabe 02/2023 ·

Kapitalgesellschaften in der Medizin: Folgen für die Weiterbildung?

Podium beim SpiFa-Fachärztetag
Hybride Veranstaltung: Der SpiFa-Fachärztetag 2023 SpiFa

Immer mehr Private-Equity-Gesellschaften kaufen sich in den ambulanten Gesundheitsmarkt ein. Welche Folgen dies für die Versorgung und die Weiterbildung hat, wurde auf dem SpiFa-Fachärztetag in Berlin diskutiert.

Unter „Private Equity“ versteht man ein Wirtschaftsmodell, bei dem privates Geld investiert wird, um Anteile und Mitspracherecht an einem Unternehmen zu erhalten. Seit 2015 ist es in Deutschland möglich, fachgleiche MVZ zu bilden. Dies hat zu vermehrten Investitionen durch private Kapitalgeber und zu einem starken Wachstum im Bereich der Medizinischen Versorgungszentren geführt. Dr. Cornelius Weiß, Mitglied des Bündnis Junge Ärztinnen und Ärzte (BJÄ), sprach von einer „monokulturellen Versorgung“.

Investoren: Lukrativer Strauß an Leistungen

In seinem Impulsreferat stellte Weiß klar, dass die großen Praxen und MVZ in der Trägerschaft von Investoren nicht zur Abmilderung von Versorgungsengpässen auf dem Land beitragen würden, sondern eher in Ballungszentren zu finden seien und einen „lukrativen Blumenstrauß an Leistungen“ erbrächten. Er befürchtet, dass die optimale Versorgung durch den direkten Kontakt zwischen Arzt und Patient durch einen dritten, gewinnorientierten Player gefährdet wird. Die zentrale Frage laute: Kann der einzelne Arzt künftig noch mit Private-Equity-Unternehmen konkurrieren, die alles standardisieren und eine Marktmacht entwickeln? Und was wird aus der Weiterbildung? Gute Weiterbildung laufe wirtschaftlichen Interessen entgegen, so Weiß.

Christine Neumann-Grutzeck, Präsidentin des Berufsverbandes Deutscher Internistinnen und Internisten e.V., betonte: „Die Weiterbildung sichert unseren Nachwuchs und ist eine Investition in die Zukunft.“ Sie erklärte, dass die Weiterbildung zunehmend in den ambulanten Sektor geschoben werden müsse, da immer mehr Leistungen ambulant erbracht würden. Bisher sei die ambulante Weiterbildung unzureichend finanziert, sodass der Idealismus der älteren Ärzte gefragt sei. „Die Weiterbildung ist eine individuelle Leistung der Niedergelassenen. Aber macht das auch ein Kapitalinvestor, der nicht aus reinem Altruismus tätig ist?“, fragt sich die Internistin. 

Junge Ärzte haben „ungeheure Marktmacht“

In der Runde wurde immer wieder diskutiert, ob die MVZ in Investorenträgerschaft Rosinenpickerei betrieben, beispielsweise in der Augenheilkunde. Diesem Vorwurf widersprach Dr. med. Kaweh Schayan-Araghi, Ärztlicher Direktor und Gründer der ARTEMIS Augenkliniken. „MVZ springen häufig ein, wenn Kollegen ihre Praxen nicht verkaufen können und sie bieten einen niederschwelligen Einstieg für junge Kollegen“, so der Augenarzt. Dr. Cornelius Weiß vom BJÄ wandte ein, dass angestellte Ärzte „in nicht zu unterschätzendem Abhängigkeitsverhältnis zum Träger“ stünden. Für Schayan-Araghi sind diese Zeiten jedoch längst vorbei. „Junge Ärzte sind so begehrt, dass sie sich ihre Weiterbildungsstelle aussuchen und woanders hingehen können, wenn es ihnen nicht gefällt. Sie haben eine ungeheure Marktmacht.“

Dr. med. Konstanze Schütze, Landesvorsitzende Berlin des Berufsverbandes Deutscher Radiologen e.V., hat die Erfahrung gemacht, dass große Private-Equity-geführte Radiologienetze in Berlin nicht ausbilden oder Weiterbildungsassistenten suchen, die bereits Erfahrungen mitbringen. Dahinter stecke, dass auch die Ärzte in Weiterbildung bereits Gelder erwirtschaften sollten. „Wir, die Praxen mit kleineren Strukturen, empfinden große Strukturen als monopolisierend und müssen mit Qualität, Patientenbindung und Kollegenbindung dagegenhalten.“

Mondpreise für Praxen?

In der Radiologie gingen die Arztsitze oft an große MVZ, da diese Preise zahlen könnten, die deutlich über den Praxiswertgutachten lägen, so Schütze. „Es kommt Geld von außen, aus Bereichen, die nichts mit Versorgung zu tun haben. Und dieses Geld soll vermehrt werden und geht oft außer Landes, sodass keine Steuern auf diese Beträge, die von den Beitragszahlern erbracht werden, gezahlt werden.“ Auch die Internistin Christine Neumann-Grutzeck treibt die Sorge um, was junge Kolleginnen und Kollegen tun sollen, wenn sie ihren Facharzt in der Tasche haben. „Sie können die Preise einfach nicht zahlen, die für Praxen teilweise aufgerufen werden.“

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Autorin

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Der Deutsche Berufsverband der Hals-Nasen-Ohrenärzte e.V.

Der Deutsche Berufsverband der Hals-Nasen-Ohrenärzte e.V. vertritt die ideellen und wirtschaftlichen Interessen der HNO-Ärztinnen und -Ärzte in Praxis und Klinik. Zu seinen Tätigkeitsschwerpunkten zählen die fachliche Beratung von ärztlichen Organisationen, wie Ärztekammern und Kassenärztlichen Vereinigungen sowie von Politik und anderen öffentlichen Einrichtungen. Der Verband unterstützt seine Mitglieder bei allen beruflichen Belangen und fördert mit der Organisation eigener Fortbildungsveranstaltungen den Wissenserwerb seiner Mitglieder.

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