Bei dem Protest, an dem sich 85 Prozent der ambulanten Operateure im HNO-Berufsverband beteiligen, geht es darum, auf die chronische Unterfinanzierung des Operierens von gesetzlich versicherten Patienten aufmerksam zu machen. „Die Preise, die von den Kassen für ambulante Operationen gezahlt werden, ermöglichen es schlicht nicht mehr, eine qualitativ hochwertige Versorgung sicherzustellen“, erklärt der Präsident des HNO-Berufsverbandes, Priv.-Doz. Dr. Jan Löhler, die Gründe für die Aktion.
Online-Petition gestartet
Mit einer Online-Petition zum Erhalt der ambulanten HNO-Kinderchirurgie will der Berufsverband die Bevölkerung – insbesondere die betroffenen Eltern – mit ins Boot holen und den Druck auf die Verantwortlichen erhöhen. Um Patienten über die Situation aufzuklären und zum Mitmachen zu bewegen, haben die Verbandsmitglieder für ihre Praxen Informationsmaterial wie Postkarten und ein Elternanschreiben erhalten. Zudem wurde eine eigene Webseite (https://www.hno-aerzte.de/op-protest) eingerichtet, auf der umfassend über die Hintergründe für das Aussetzen der Operationen informiert wird.
Situation langfristig verbessern
Um die Verantwortlichen bei Krankenkassen und in der Politik wachzurütteln, werden vorerst keine Termine für Mandeloperationen bei Kindern mehr vergeben. Konkret betroffen sind die Adenotomie mit Paukenröhrchen sowie die Tonsillotomie. Ziel ist es, die Situation für Patienten und Ärzte durch die Aktion langfristig zu verbessern.
Weil die Eingriffe auch im Hinblick auf Gedeihstörungen so wichtig sind, haben HNO-Ärztinnen und -Ärzte diese bis vor kurzem trotz der schwierigen wirtschaftlichen Bedingungen erbracht. Teilweise haben sie sogar mehr Geld ausgegeben als sie dafür bekommen haben. Seit diesem Jahr bezahlen die Krankenkassen nun noch weniger für die Eingriffe.
Kostendeckende Arbeit kaum noch möglich
Für eine Adenotomie mit Paukenröhrchen bekommen die Operateure seit dem 1. Januar 2023 nur noch 105 Euro. Für eine Tonsillotomie werden nur noch rund 170 Euro erstattet. Von diesen Beträgen müssen das OP-Material, die Raummiete, die Personalkosten für die OP-Assistenz, die Instrumentenanschaffung und -aufbereitung, die Wartungskosten für die OP-Technik, die Haftpflichtversicherung und die jährliche sicherheitstechnische Kontrolle bezahlt werden. Deshalb sind die HNO-Ärztinnen und -Ärzte gezwungen, die Durchführung dieser Operationen vorerst einzustellen.
Monatelange Wartezeiten üblich
Verbandspräsident Jan Löhler kritisiert die Reaktionen von Politik und Kassenverbänden. Diese hatten den Protest als unethisch bezeichnet. Nicht die Ärzte handeln unethisch, sondern die Krankenkassen, die das Geld für Kinderoperationen kürzen.“ Besonders irritierend sei der Vorwurf, dass durch den OP-Stopp eine Gefährdung des Wohls der Kinder billigend in Kauf genommen werde: „Wenn die Operation eines Kindes durch den Protest nun einige Wochen verzögert stattfindet, hat dies im Vergleich zu den monatelangen Wartezeiten, die wir bisher bundesweit verzeichnen, keine zusätzliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes zur Folge. Würde dagegen alles weiterlaufen wie bisher, würde sich das schleichende Sterben des ambulanten Operierens abseits der öffentlichen Wahrnehmung fortsetzen. Das wollen wir mit der Aktion um jeden Preis im Sinne der von uns zu versorgenden Kinder verhindern“, unterstreicht der HNO-Präsident. Besonders schwere Fälle sowie medizinische Notfälle würden trotz des Protests selbstverständlich weiter operiert.