Es geht um den Erhalt der HNO-Kinderchirurgie

Im Januar haben der Deutsche Berufsverband der Hals-Nasen-Ohrenärzte (BVHNO) sowie die Deutsche Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie (DGHNO) die Empfehlung ausgesprochen, ab sofort bundesweit keine neuen Termine für Mandel- und Mittelohroperationen (Tonsillotomie und Adenotomie mit Paukendrainage) bei Kindern zu vergeben.

Der Schritt wurde sorgfältig abgewogen und ist den Verbänden nicht leichtgefallen. Durch die jahrelange Unterfinanzierung des ambulanten Operierens  befinden sich jedoch sowohl die vertragsärztlichen Operateure als auch die Krankenhäuser bei diesen Eingriffen in einer wirtschaftlichen Schieflage. Weil deshalb immer weniger Operateure diese Leistungen anbieten, warten Kinder heute durchschnittlich drei bis sechs Monate, teilweise auch noch länger, auf einen OP-Termin. Besonders schwere Fälle und Notfälle werden selbstverständlich weiterhin operiert.

Universitätsklinikum Brandenburg an der Havel

Prof. Dr. med. Birgit Didczuneit-Sandhop zur aktuellen Lage

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Bitte unterzeichnen Sie die Online-Petition „Appell an Politiker und Krankenkassen: Erhalten Sie die ambulante HNO-Kinderchirurgie!“

Kinder mit vergrößerter Rachenmandel (Polypen) oder vergrößerter Gaumenmandel sowie häufiger Mittelohrentzündung wegen eines Paukenergusses bekommen immer schwerer einen Termin für die notwendige Operation (Adenotomie mit Paukendrainage und Tonsillotomie) bei einem Hals-Nasen-Ohren-Arzt.

Der Grund für die langen Wartezeiten ist, dass die gesetzlichen Krankenkassen für ambulante Operationen zu wenig bezahlen. Die HNO-Ärzte setzen sich für den Erhalt des ambulanten Operierens der Kinder ein und bitten um Mithilfe der Bevölkerung. Politik und Krankenkassen werden aufgefordert, die Vergütung der HNO-Kinderchirurgie so zu gestalten, dass die Eingriffe auch in Zukunft noch angeboten werden können.

 

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Bitte teilen Sie die Petition und nutzen Sie alle Kanäle, wie WhatsApp, Mailverteiler, Social Media und sonstige Möglichkeiten im Freundes- und Bekanntenkreis, zur Verbreitung. Ziel ist, in den kommenden Wochen möglichst viele Unterstützerinnen und Unterstützer zu gewinnen und die Verantwortlichen bei Politik und Krankenkassen zum Handeln zu bewegen.
 

Was verdienen Ärzte bei einer Operation?

Für knapp 107 Euro für einen sogenannten N1-Eingriff, wie die Entfernung der Rachenmandel bei Kindern, kann kein OP-Zentrum und erst recht kein Krankenhaus die anfallenden Kosten stemmen. Von der Summe müssen die OP-Miete (40 bis 80 Euro), die Sterilisation der Instrumente (25 Euro), die OP-Assistenz (15 bis 30 Euro) sowie weitere Posten, wie die Instrumentenanschaffung, die Wartung der OP-Technik, die Haftpflichtversicherung sowie die Rufbereitschaft des Arztes nach einem Eingriff, bezahlt werden. Unterm Strich bleiben dem Operateur nur etwa zehn bis 20 Euro vor Abzug von Steuern und Altersvorsorge als Honorar für eine Operation. Bei schlechteren Konditionen, wie einer höheren Miete für den OP-Saal, zahlen die Ärzte am Ende sogar obendrauf. Erfolgt der Eingriff ambulant in einem Krankenhaus, erwirtschaftet die Klinik damit grundsätzlich einen Verlust von mehreren hundert Euro.

Desinformationskampagne der Krankenkassen

Während der Protest für den Erhalt der Kinderversorgung bei Eltern und Ärzten auf großen Rückhalt stößt, bedient der GKV-Spitzenverband dumpfe Ressentiments gegen die Ärzteschaft und schürt eine populistische Neiddebatte. Die Aussagen des Kassenverbandes sind durchzogen von falschen Behauptungen:

Der Streik wird auf dem Rücken der Kinder ausgetragen“ 

Falsch, denn nur mit dem OP-Stopp kann auf den Versorgungsnotstand aufmerksam gemacht werden. Alle bisherigen Hilferufe wurden von Kassen und Politikern ignoriert.

Die Ärzte handeln unethisch“ 

Falsch, denn die Verantwortlichen des Versorgungsnotstands sind primär die Krankenkassen, die zu wenig für Kinderoperationen bezahlen und zuletzt sogar den geringen Betrag weiter gekürzt haben. Die Krankenkassen handeln unethisch, nicht die Ärzte.

„Die Ärzte verletzen Sicherstellungsauftrag“

Falsch, denn das ambulante Operieren gehört als genehmigungspflichtiger Teilbereich nicht zur Sicherstellung. Kein HNO-Arzt kann zum Operieren gezwungen werden.

„HNO-Ärzte sind Großverdiener“

Falsch, denn der oft zitierte „Reinertrag“ von über 200.000 Euro im Jahr ist nicht der Gewinn pro Arzt. Die Summe bezieht sich auf die Praxis, also alle Inhaber (bei Gemeinschaftspraxen) und alle angestellten Ärzte. Außerdem gehen von der Summe Steuern und Altersvorsorge ab. Im Fachgruppenvergleich liegen die HNO-Ärzte zudem eher im Mittelfeld.

„HNO-Ärzte verdienen nach EBM-Reform mehr Geld mit dem ambulanten Operieren“

Falsch, denn die wichtigsten HNO-Eingriffe wurden in der Vergütung abgesenkt. Lediglich bestimmte Nasen-OPs können, wenn sie in Kombination mit einem weiteren Eingriff erbracht werden, künftig höher abgerechnet werden. Das hilft den Kinderoperateuren jedoch nicht.

FAQ: Häufige Fragen zum OP-Protest

Alle Hintergründe und Antworten auf die häufigsten Fragen sind in diesem FAQ zusammengestellt. Nähere Informationen finden sich außerdem im Pressebereich.

Seit vielen Jahren zahlen die gesetzlichen Krankenkassen zu wenig Geld für ambulante Operationen. Gab es früher gesonderte und ausreichend vergütete Verträge mit einzelnen Krankenkassen für bestimmte OP-Leistungen, wie die Tonsillotomie, wurden diese sog. Selektivverträge in den letzten Jahren bundesweit gekündigt. Hintergrund ist die Aufnahme der Tonsillotomie in den GKV-Leistungskatalog im Jahr 2019. Bereits damals warnte der HNO-Berufsverband davor, dass der Eingriff nicht mehr wirtschaftlich erbracht werden kann. Im GKV-Bereich liegt die Vergütung auf einem viel zu geringen Niveau, wodurch sich viele Operateure gezwungen sahen, die OP-Tätigkeit aufzugeben. Die geringe Vergütung der Eingriffe wurde im Zuge der im Dezember 2022 beschlossenen Teilreform des ambulanten Operierens abermals abgesenkt. Die sog. N1- bis N3-Eingriffe wurden zugunsten der komplexeren Operationen (N4 bis N7) abgewertet. Zwar ist der Preis nur um Eurobeträge im einstelligen Bereich gesunken (Adenotomie: minus 57 Punkte, entspricht 6,55 Euro, Tonsillotomie: minus 79 Punkte, entspricht 9,08 Euro). Dennoch wird die Kürzung als Affront empfunden. Während die Kosten durch Inflation, Energiekrise und Fachkräftemangel steigen, wird die ohnehin zu geringe Vergütung weiter gekürzt. Unter betriebswirtschaftlichen Aspekten können die Operationen nicht mehr kostendeckend erbracht werden.

Die HNO-Verbände haben wiederholt darauf hingewiesen, dass sich die Protestaktion nicht gegen die betroffenen Kinder richtet. Es geht stattdessen darum, die operative Versorgung der Kinder zu erhalten und das schleichende Sterben des ambulanten Operierens aufzuhalten. Ziel des Protests sind in erster Linie die gesetzlichen Krankenkassen, die unter Verhandlungsführung des GKV-Spitzenverbandes die Preise für vertragsärztliche Leistungen drücken. Auch die Zustimmung durch die Kassenärztliche Bundesvereinigung zur Absenkung der N1- bis N3-Eingriffe wird durch die HNO-Ärzte kritisiert.

Um die operative Versorgung der Kinder zu erhalten, müssen die Kinderoperationen (Adenotomie mit Paukendrainage und Tonsillotomie) aus dem defizitären EBM-Bereich ausgegliedert werden. Ein Ansatzpunkt wäre, die Leistungen in den neuen Bereich der speziellen sektorengleichen Leistungen („Hybrid-DRG“) aufzunehmen. Der mit dem Krankenhauspflegeentlastungsgesetz geschaffene Bereich soll die Ambulantisierung fördern und die Sektorengrenze zwischen Krankenhäusern und Vertragsärzten abbauen. Die neuen sektorengleichen Leistungen sollen auf einem Niveau vergütet werden, das zwischen der derzeitigen Bezahlung von Kliniken und vertragsärztlichen Einrichtungen liegt.

Laut einer Onlinebefragung des HNO-Berufsverbandes vom 18. bis 22. Januar 2023 beteiligen sich 85,6 Prozent der Verbandsmitglieder mit KV-Genehmigung zum ambulanten Operieren an dem Protest. Von rund 1.500 ambulanten Operateuren haben 821 an der Befragung teilgenommen (55 Prozent Beteiligung). 95 Prozent der Befragungsteilnehmer sind vertragsärztlich tätig. Vier Prozent arbeiten in einem Krankenhaus.

Die HNO-Verbände haben angekündigt, den Protest so lange aufrechtzuerhalten, bis es belastbare Zusagen für eine deutlich verbesserte Vergütung der Eingriffe gibt.

Die Eingriffe werden nach den Vorgaben des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes (EBM), dem Vergütungssystem der vertragsärztlichen Versorgung, bezahlt. Die Höhe der Vergütung richtet sich nach der Dauer des Eingriffs, der sog. Schnitt-Naht-Zeit, aus der sich die Kalkulationszeit für das Honorar berechnet. Eine Adenotomie, also die operative Entfernung der Rachenmandel (auch Polypen genannt), kann als N1-Eingriff mit 106,87 Euro abgerechnet werden. Die bei dem Eingriff häufig zusätzlich erbrachte Parazentese (Trommelfellschnitt) mit Einlage eines Paukenröhrchens kann in der Regel nicht zusätzlich abgerechnet werden. Die Tonsillotomie, also die operative Teilentfernung der vergrößerten Gaumenmandel, wird als N2-Eingriff mit 173,98 Euro bewertet. Erfahrene Operateure schaffen jeweils maximal zwei Operationen pro Stunde, aus organisatorischen Gründen (Anästhesie, Wechselzeiten) kann oft auch nur eine OP pro Stunde durchgeführt werden. Bei beiden Eingriffen müssen von der Summe alle anfallenden Kosten der Operation beglichen werden: OP-Miete (40 Euro), Instrumentensterilisation (25 Euro), OP-Assistenz (15 Euro). Zusätzlich fallen Kosten für die Anschaffung der Instrumente, die Wartung der OP-Technik, die sicherheitstechnische Kontrolle, die Haftpflichtversicherung des Operateurs sowie für die Rufbereitschaft des Arztes nach dem Eingriff an. Unterm Strich bleibt lediglich ein durchschnittliches Honorar von zehn bis 20 Euro vor Steuern und Altersvorsorge pro Eingriff übrig. Die Kostensteigerungen durch gestiegene Hygienevorgaben, Inflation, Energiepreisanstieg und Fachkräftemangel sind nicht im EBM berücksichtigt.

Das ambulante Operieren gehört nicht zum obligatorischen Leistungsspektrum eines Vertragsarztes. Vielmehr muss eine Genehmigung zum ambulanten Operieren bei der Kassenärztlichen Vereinigung beantragt werden. Damit zählt das ambulante Operieren nicht zum Sicherstellungsauftrag, den ein Vertragsarzt stellvertretend für die Kassenärztliche Vereinigung erfüllen muss. Die Genehmigung zum ambulanten Operieren heißt auch nicht, dass ein Arzt ambulante Operationen erbringen muss. Er kann die Tätigkeit ruhen lassen, ohne dass es eine Pflicht zur Leistungserbringung gibt. Außerdem kann er die Genehmigung jederzeit zurückgeben.

Aus juristischer Sicht ist die Aussetzung der Leistungen gerechtfertigt: Nach § 72 Abs. 2 SGB V ist die vertragsärztliche Versorgung so zu regeln, dass die ärztlichen Leistungen angemessen vergütet werden. Das Bundessozialgericht (BSG) hat wiederholt festgestellt, dass die vertragsärztliche Vergütung dann nicht mehr angemessen ist, wenn in einem fachlichen und/oder örtlichen Teilbereich kein ausreichender Anreiz mehr besteht, vertragsärztlich tätig zu werden, vgl. BSG, Urteil vom 08.12.2010 – B 6 KA 42/09 R –; siehe auch BSG, Urteil vom 12.02.2020 – B 6 KA 25/18 R. Genau das ist jetzt bezüglich der o. g. ambulanten Operationen der Fall: Wenn auf Antrag eines Vertragsarztes die zuständige Kassenärztliche Vereinigung eine Genehmigung zur Ausführung und Abrechnung ambulanter Operationen erteilt, muss die damit verbundene ärztliche Vergütung angemessen sein. Da in jüngster Zeit eine Vielzahl von HNO-Ärztinnen und HNO-Ärzten ihre Genehmigungen zum ambulanten Operieren wegen offenbarer Unwirtschaftlichkeit zurückgegeben haben, ist der vom BSG vorausgesetzte Anreiz zur Durchführung ambulanter Operationen ersichtlich weggefallen. Kein Vertragsarzt kann unter diesen wirtschaftlich desaströsen Bedingungen gezwungen werden, ambulante Operationen anzubieten. Die völlig unangemessene Vergütung ambulanter Operationen greift zudem in unzulässiger Weise in die verfassungsrechtlich verbürgte Berufsausübungsfreiheit der niedergelassenen Vertragsärzte ein. Erst wenn eine kostendeckende und zudem auskömmliche Vergütung für die erbrachten ambulanten Operationen garantiert ist, besteht der notwendige Anreiz, solche Leistungen zu erbringen. Die gesetzlichen Krankenkassen und die Kassenärztliche Bundesvereinigung haben es daher selbst in der Hand, die Durchführung ambulanter Operationen unter wirtschaftlichen Bedingungen zu gewährleisten.

Bei dem Protest geht es um die vertragsärztliche Versorgung in der Gesetzlichen Krankenversicherung. Privatpatienten werden nach der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) abgerechnet und sind zunächst nicht betroffen. Allerdings ist die Abrechnung nach derzeit gültiger GOÄ ebenfalls unrentabel. Eine selektive privatärztliche Abrechnung einzelner Operationen bei GKV-Patienten ist nicht ohne weiteres möglich. Der Berufsverband hat seine Mitglieder ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es nur unter engen Voraussetzungen möglich ist, GKV-Patienten ausnahmsweise zu privatärztlichen Konditionen zu behandeln.

Krankenkassen und Kassenärztliche Bundesvereinigung heben im Honorarstreit hervor, dass die HNO-Operationen insgesamt leicht aufgewertet worden sind. Grund dafür ist, dass es für bestimmte Nasenoperationen etwas mehr Geld gibt – allerdings nur dann, wenn sie in Kombination mit einem weiteren Eingriff erbracht werden (sog. Simultaneingriff). Die einzelne Nasenoperation selbst wurde ebenfalls abgewertet. Der Zuschlag zum Simultaneingriff wurde um 28 Prozent aufgewertet, allerdings wird der Eingriff nur in rund einem Drittel aller Fälle als Kombinations-OP erbracht. Für die Mandel- und Mittelohroperationen ist dies außerdem irrelevant, weil sie weiterhin unrentabel bleiben. Die Annahme eines Ausgleichseffekts durch eine Mischkalkulation des Operateurs ist realitätsfremd, weil der Operateur entscheidet, welche Operationen bei welchen Patienten er ambulant erbringt.

Auch seitens der Krankenhäuser wird der Protest mitgetragen. Denn für die Kliniken, die im Rahmen des ambulanten Operierens die gleiche Vergütung wie die Vertragsärzte erhalten, sind die Operationen sogar noch unwirtschaftlicher. Grund dafür sind höhere Vorhaltekosten mit mehr Personal und größerer technischer Ausstattung. Viele Krankenhäuser nehmen deswegen keine neuen Patienten mehr an oder reduzieren zumindest die OP-Kapazitäten. Wird eine Adenotomie aus individuellen medizinischen Gründen stationär, also mit Übernachtung im Krankenhaus erbracht, erlöst das Krankenhaus nach DRG 1.729,72 Euro. Für eine Tonsillotomie liegt der Wert bei 1.799,29 Euro. Allerdings sind die Kalkulationen aus EBM und DRG nicht eins zu eins zu vergleichen, weil unterschiedliche Leistungsanteile einberechnet werden.

Service: Infoschreiben an die Eltern

Der HNO-Berufsverband stellt ein Informationsschreiben an die betroffenen Eltern zur Verfügung. In dem Schreiben werden in kurzer und verständlicher Form die Hintergründe für den Terminstopp bei Mandel- und Mittelohroperationen erklärt. Der Text kann individuell angepasst werden.
 

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