Bereits seit Anfang 2023 weist der HNO-Berufsverband auf den Versorgungsengpass bei Eingriffen zur Verkleinerung der Rachenmandeln (Adenotomie) und der Gaumenmandeln (Tonsillotomie) sowie der Paukenröhrchen-Einlage hin. Hintergrund ist die unzureichende Abbildung der OP-Kosten in der ambulanten Vergütung. Da immer weniger HNO-Operateure den Eingriff anbieten, kommt es seit Jahren zu langen Wartezeiten auf einen OP-Termin. Die betroffenen Kinder leiden unter Hör-, Atem-, Schlaf- und Sprachentwicklungsstörungen. Da trotz des Protests der HNO-Verbände keine Verbesserung für die Kinder erreicht werden konnte und weil mit der Krankenhausreform aktuell weitere OP-Kapazitäten wegzubrechen drohen, warnt der Berufsverband in einem eindringlichen Appell an die Verantwortlichen bei Politik, Krankenkassen und Verbänden vor einer weiteren Zuspitzung der Versorgungssituation.
Streichung der HNO-Belegabteilungen in NRW
Die ohnehin angespannte Lage verschärfe sich durch die absehbaren Folgen der Krankenhausreform, heißt es im Brandbrief des Berufsverbandes. „Wie in Nordrhein-Westfalen aktuell zu beobachten ist, führen die in der regionalen Krankenhausplanung gestellten Anforderungen zu Personalstärke und Mindestfallzahlen zu einer großflächigen Schließung der belegärztlichen HNO-Abteilungen.“ Unter 32 Standorten in NRW, die die beantragte Leistungsgruppe HNO nicht zugewiesen bekommen haben, finden sich 31 HNO-Belegabteilungen – mit Wegfall von über 4.000 Operationen pro Jahr. Alle der bereits heute oder demnächst geschlossenen HNO-Belegabteilungen erbringen unter anderem Mandel- und Mittelohroperationen bei Kindern. Der Wegfall dieser Kapazitäten könne unter den derzeitigen Bedingungen weder durch ambulante OP-Zentren noch durch die stationäre Klinikaufnahme mit Übernachtung durch die verbliebenen Abteilungen aufgefangen werden. Es werde unweigerlich zu einer nochmals deutlichen Steigerung der Wartezeiten auf einen OP-Termin kommen. Ähnlich verheerende Auswirkungen des KHVVG auf die Klinikstrukturen bzw. das Belegarztwesen drohen in weiteren Bundesländern, darunter insbesondere in Rheinland-Pfalz, Niedersachsen, Bayern und Baden-Württemberg.
Ambulante HNO-Operationen für Kliniken unattraktiv
Aufgrund der wirtschaftlichen Schieflage der Kliniken komme es darüber hinaus in zahlreichen Häusern zur Kündigung von OP-Kapazitäten für ambulante HNO-ärztliche Eingriffe durch die Krankenhausleitungen. „Hintergrund ist die vergleichsweise schlechte Erlössituation der HNO-Operationen. Die gängigsten Eingriffe der HNO-Chirurgie, wie Adenotomie, Tonsillotomie oder Operationen der Nasenscheidewand, werden aufgrund vergleichsweise kurzer OP-Zeiten in niedrigen Abrechnungskategorien geführt“, erklärt der Verband. Gleichzeitig sei der Aufwand, unter anderem wegen des hohen Risikos einer Operation an den kindlichen Atemwegen, ähnlich hoch, wie bei höherbewerteten Eingriffen anderer Fachrichtungen. „Da für die Erlössituation des Krankenhauses höherwertige Eingriffe, wie zum Beispiel Knie- oder Wirbelsäulen-Operationen, günstiger und risikoärmer sind, werden die Verträge mit den HNO-Operateuren gekündigt. Beispiele hierfür gab es zuletzt in Hamburg und Köln“, heißt es im Brandbrief.
Problemlösung liegt in Hybrid-DRG
Mit Blick auf das Defizit in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) sei die Vernachlässigung der ambulanten operativen Strukturen nicht nachvollziehbar, schreibt der Verband weiter. „Durch den Grundsatz ambulant vor stationär lassen sich unnötige Ausgaben in der Gesetzlichen Krankenversicherung vermeiden. Während die Krankenhausbehandlung der am stärksten steigende Ausgabenbereich in der GKV sei und im letzten Jahr die Marke von 100 Milliarden Euro überschritten habe, können durch eine konsequente Ambulantisierung Gelder eingespart werden. Da die Vergütung für ambulante Operationen in der HNO-Heilkunde in vielen Fällen jedoch deutlich zu niedrig angesetzt sei, bleibe die Ambulantisierung hinter ihren Möglichkeiten zurück. Komme es aufgrund fehlender ambulanter OP-Termine zur stationären Aufnahme der Kinder, koste der Eingriff rund fünfmal so viel wie im ambulanten Setting. Eine mögliche Lösung liege in einer Überführung der Mandel- und Mittelohroperationen in den Katalog der Hybrid-DRG, so der Verband. Entsprechende Pläne habe das Bundesgesundheitsministerium bereits 2023 vorgelegt. „Wenn die Entscheidungsträger jetzt nicht handeln, gehen nicht nur die räumlichen und technischen OP-Kapazitäten, sondern auch die operierenden Ärztinnen und Ärzte für immer verloren. Es ist fünf nach zwölf“, hebt der Verband hervor.