Bereits seit 2019 geht die Zahl der ambulant erbrachten Adenotomien („Polypenentfernung“) und Tonsillotomien (Teilentfernung der Gaumenmandel) zurück. Gleichzeitig sind die Wartezeiten auf einen OP-Termin auf mehrere Monate bis über ein Jahr gestiegen. Aus diesem Grund hatte der Berufsverband der HNO-Ärzte an der Seite der Deutschen Gesellschaft für HNO-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie sowie den Verbänden von Phoniatern und Pädaudiologen im Januar 2023 medienwirksam auf das Problem aufmerksam gemacht. „Wir haben in den letzten anderthalb Jahren zahllose Interviews gegeben, Gespräche mit Politikern, Vertretern von Krankenkassen und der ärztlichen Selbstverwaltung geführt sowie in einer Online-Petition knapp 80.000 Unterschriften gesammelt. Das Ergebnis ist ernüchternd. Für die Gesundheit der Kinder und die Not der betroffenen Familien interessiert sich niemand ernsthaft – allen voran nicht der GKV-Spitzenverband, der mit einer Diffamierungskampagne über die Kolleginnen und Kollegen hergezogen ist. Dem Kassenverband sind die Kinder egal. Unter diesen Voraussetzungen hat der Protest keinen Sinn mehr und wird beendet“, so Löhler. Es sei nun die individuelle Entscheidung eines jeden operierenden Kollegen, ob die Versorgung unter den gegebenen Bedingungen fortgesetzt werden könne oder nicht.
Brandbeschleuniger für längere Wartezeiten
Durch die teilweise sehr unsachlich geführte Debatte zum OP-Protest hätten mittlerweile viele der verbliebenen operativ tätigen HNO-Ärzte ihre OP-Tätigkeit eingestellt, erklärt HNO-Präsident Löhler weiter: „Wir haben als Verband versucht, auf das Problem der fehlenden OP-Kapazitäten und die dafür verantwortlichen Rahmenbedingungen hinzuweisen. Für etwas mehr als 100 Euro kann man ein Kind nicht qualitätsgesichert operieren. Doch Politik und Krankenkassen wollen das Problem nicht verstehen und haben sich bis dato einer Lösung komplett verweigert. Die nun vom Bundesrat geforderten Durchgriffsrechte für die Kassenärztlichen Vereinigungen, mit denen man die Operateure zur Arbeit zwingen will, sind ein Armutszeugnis für die Gesundheitspolitik. Dies wird sich als Brandbeschleuniger auf die immer weiter steigenden Wartezeiten auswirken.“
Allein die Umsetzung eines solchen Vorhabens in die Praxis sei fragwürdig. So sei nicht geklärt, welche Leistungen der rund 240 HNO-ärztlichen Prozeduren des AOP-Katalogs niedergelassene Ärzte mit Genehmigung zum ambulanten Operieren erbringen müssten. Auch die Häufigkeit, mit der ein Arzt einen Eingriff den Versicherten anzubieten habe, könne nicht per Gesetz festgelegt werden. Löhler: „Mit einer derartigen Verpflichtung wird die ärztliche Berufsfreiheit de facto zugunsten eines staatlichen Gesundheitssystems abgeschafft. Was die Folgen davon sind, kann man am Beispiel des National Health Service (NHS) in Großbritannien beobachten. Dort werden Leistungen rationiert und die Patienten müssen selbst auf eine einfache Untersuchung oft monatelang warten.“
Bundesweiter Versorgungsnotstand
Hinzu komme, dass ambulante HNO-Eingriffe und insbesondere HNO-Kinderoperationen bei Betreibern von OP-Zentren als unwirtschaftlich gelten und entsprechende Verträge zwischen Operateuren und OP-Zentren auf Abruf stehen: „Das Asklepios-Krankenhaus in Hamburg hat im letzten Jahr den Vertrag mit den HNO-Operateuren vor Ort gekündigt. Damit sind die Wartezeiten auf einen Schlag um mehrere Monate gestiegen. Mittlerweile herrscht in der gesamten Region Versorgungsnotstand. Zahlreiche ähnliche Beispiele sind aus dem restlichen Bundesgebiet bekannt. Auch die Krankenhäuser können die Versorgung längst nicht mehr stemmen und haben die Politik um Hilfe gebeten“, berichtet der im schleswig-holsteinischen Bad Bramstedt ansässige HNO-Facharzt. Womöglich könne mithilfe sogenannter Selektivverträge mit einzelnen Krankenkassen die Versorgung in einer Region längerfristig sichergestellt werden. Erste Vereinbarungen seien in den letzten Monaten geschlossen worden. „Anders als es der GKV-Spitzenverband glauben machen will, gibt es im Kassenlager durchaus Akteure, die mit uns an einer Lösung vor Ort arbeiten“, hebt Löhler hervor.
Für die Zukunft der ambulanten Versorgung deuteten sich schwierige Zeiten an, resümiert HNO-Arzt Löhler: „Aufgrund des Ärztemangels, des Fachkräftemangels und der fortgesetzten Budgetierung fachärztlicher Leistungen werden sich Patientinnen und Patienten bei vielen Leistungen auf lange Wartezeiten und Triage-ähnliche Verhältnisse einstellen müssen.“