Ausgabe 04/2022 ·

„Wir wollen die Zukunft der niedergelassenen Medizin darstellen"

Portraitfoto Dr. Marc Unkelbach
Dr. Marc Unkelbach offenblend.de/HNOmedic

Der HNO-Arzt Dr. Marc Unkelbach ist Geschäftsführer der HNOmedic PartG, die ein dezentrales MVZ betreibt, das auf HNO-Heilkunde spezialisiert ist. Im Interview mit dem HNO-Berufsverband spricht Dr. Unkelbach über die Organisation eines solchen Netzwerkes, Digitalisierung, neue Arbeitszeitmodelle und den Umgang mit den Geldern der Solidargemeinschaft.

Die HNOmedic PartG betreibt auf Hals-Nasen-Ohrenheilkunde spezialisierte MVZ an verschiedenen Standorten in drei Bundesländern. Wie ist solch ein dezentrales Netzwerk strukturiert?

Die HNOmedic ist eine Partnerschaftsgesellschaft, die verschiedene MVZ in den Regionen München, Stuttgart und Frankfurt am Main hält. Sie wurde 2015 von vier HNO-Ärztinnen und -Ärzten gegründet. Es gibt eine zentrale Verwaltung, sodass die bei uns tätigen Ärztinnen und Ärzte – abgesehen von der Dokumentationspflicht – keine Bürokratie übernehmen müssen. Ein großes Backoffice-Team kümmert sich um Dinge wie IT, Hygiene, Praxisorganisation und so weiter. Dezentral werden die Dienstpläne erstellt, da dies die Teams vor Ort am besten können. Da alle Standorte über die gleiche Ausstattung verfügen, kann jeder Mitarbeiter überall arbeiten. Dies ist vor allem für die Springerärzte wichtig, die uns bei Urlaub und Krankheit unterstützen. 

Auch die Patienten bekommen bei uns alles aus einer Hand. Wir verfügen über ein eigenes Schlaflabor und ein eigenes Operationszentrum, in dem alle ambulanten HNO-Operationen durchgeführt werden können. Darüber hinaus haben wir eigene Patienteninformationen in Form von Flyern und YouTube-Videos erstellt. 

Wie nutzen Sie die digitalen Möglichkeiten für Ihre Arbeit?

Die HNOmedic ist ein ärztlich geleitetes Unternehmen mit medizinischer Vision. Wir sind voll digital unterwegs, das heißt wir nehmen eine digitale Selektion vor, bevor die Patienten in die Praxis kommen. Ein Beispiel ist die Schlafmedizin. Normalerweise kommen Patienten drei- bis viermal in die Praxis, um eine Polygraphie durchführen zu lassen. Bei uns erfolgt die Anamnese in einer Videosprechstunde. Hier wird beispielsweise auch abgefragt, ob der Patient bereits einen Allergietest gemacht hat. Anschließend kommt der Patient einmal in die Praxis und bringt entweder einen vorhandenen Allergietest mit oder lässt den Test vor Ort durchführen. Dann nimmt er das Gerät mit und macht die Polygraphie zu Hause. Das Gerät muss anschließend nur noch in der Praxis eingeworfen werden. Die Befundbesprechung findet schließlich am Telefon oder per Videosprechstunde statt, wodurch Patienten und Ärzte Zeit und Laufwege sparen.

Wie ist die HNOmedic personell aufgestellt? 

Bei uns arbeiten 35 angestellte Ärztinnen und Ärzte sowie drei Weiterbildungsassistenten. Hinzu kommen Ärzte im Ruhestand, die als Springer fungieren. Da bei uns ehemalige Oberärzte aus Kliniken arbeiten, die erfahrene Operateure sind, können wir viele OPs ambulant anbieten.

Sind bei Ihnen Arbeitszeitmodelle abseits der Norm möglich, die jungen Ärztinnen und Ärzten in der Familienphase entgegenkommen?

Wir wollen die Zukunft der niedergelassenen Medizin darstellen. Unser Gedanke ist, dass die Medizin in Deutschland weiblich, die Vereinbarung von Beruf und Familie aber nach wie vor schwierig ist. Wir wollen den Kolleginnen etwas bieten und denken, dass das Potenzial im ambulanten Bereich groß ist. So richten sich die Öffnungszeiten an den einzelnen Standorten nach den Wünschen der Kolleginnen. Dies bedeutet natürlich, dass wir Terminpraxen an allen Standorten haben. 

Welche Erfahrung haben Sie mit der Weiterbildung von angehenden HNO-Ärztinnen und -Ärzten gemacht? Ist es wichtig, zumindest einen Teil der Weiterbildung im ambulanten Bereich zu absolvieren?

Ich bin ein Fan von gemischter Ausbildung. Das medizinische Portfolio in der Praxis ist enger als in der Klinik, sodass ÄiW auch stationär arbeiten sollten. Andererseits finden kleine OPs  wie die Kinderoperationen jetzt schon fast nur in der Praxis statt. Ich könnte mir vorstellen, dass es in zwei Jahren in den Kliniken nicht mehr das volle HNO-Spektrum geben wird, wenn es zu den Hybrid-DRGs kommen sollte – abgesehen natürlich von großen Eingriffen in der Tumor- und Kopf-Hals-Chirurgie. 

Wir habe die Erfahrung gemacht, dass organisatorische Hürden in der Weiterbildung ein Problem sind. Wir merken das besonders deutlich, weil wir durch unsere Standorte mit drei unterschiedlichen Ärztekammern und KVen zu tun haben. 

In den Medien und in der Selbstverwaltung wird derzeit intensiv über die Trägerschaft von MVZ und die finanzielle Ausrichtung solcher Strukturen diskutiert. Die Stichworte sind Fremdkapital, Renditeorientierung und Transparenz. Wie stehen Sie zu diesen Themen? 

Sowohl bei investorengeführten MVZ als auch bei Einzelpraxen gibt es schwarze Schafe. Der einzige Unterschied zwischen investorengeführten MVZ und von Vertragsärzten geführten MVZ ist: Die einen haben bereits Geld, die anderen müssen es erst verdienen. Ich als Arzt und Unternehmer möchte nicht, dass mit dem Geld der Solidargemeinschaft Geld verdient wird für Investoren. Wir bezahlen lieber unsere Mitarbeiter gut, als mehr Rendite zu erzielen, da wir auf unser Personal langfristig angewiesen sind. 

Meines Erachtens ist eine von Vertragsärzten geführte MVZ-Konstruktion, die so auch von den Patienten und Fachärzten gewünscht ist, ideal. Um Transparenz herzustellen, müsste auf dem Praxisschild und auf der Webseite stehen, wem das MVZ gehört. 

Natürlich wird auch bei uns die Leistung der einzelnen Kolleginnen und Kollegen überprüft. Wir legen aber keine Zielvereinbarungen vorab fest, sondern messen unsere Mitarbeiter an ihren Kollegen. Wir haben ein System etabliert, bei dem ein Durchschnittswert – zum Beispiel für OPs oder Allergietests – ermittelt und an die Ärztinnen und Ärzte gespiegelt wird.

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Autorin

Julia Bathelt

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Der Deutsche Berufsverband der Hals-Nasen-Ohrenärzte e.V.

Der Deutsche Berufsverband der Hals-Nasen-Ohrenärzte e.V. vertritt die ideellen und wirtschaftlichen Interessen der HNO-Ärztinnen und -Ärzte in Praxis und Klinik. Zu seinen Tätigkeitsschwerpunkten zählen die fachliche Beratung von ärztlichen Organisationen, wie Ärztekammern und Kassenärztlichen Vereinigungen sowie von Politik und anderen öffentlichen Einrichtungen. Der Verband unterstützt seine Mitglieder bei allen beruflichen Belangen und fördert mit der Organisation eigener Fortbildungsveranstaltungen den Wissenserwerb seiner Mitglieder.

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